Lange Jahre gingen sich der deutsche und der spanische Fußball aus dem Weg. Deutschland dominierte in den nationalen Wettbewerben, Spanien war das Maß der Dinge auf Klubebene. Spätestens seit 2008 sehen wir einen offenen Schlagabtausch, der im Champions League-Halbfinale seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht.

Bis 2008 hatte die spanische Nationalmannschaft nichts vorzuweisen. Vom Ausnahme-Europameistertitel 1964 abgesehen stand nichts zu Buche. Deutschland hingegen erkämpfte über die Jahrzehnte drei Welt- und drei Europameistertitel. In den Klubwettbewerben hingegen herrschte seit jeher Spanien. Das Land konnte über die Jahre unerreichte 13 Landesmeistertitel erringen. Real Madrid ist die erfolgreichste Vereinsmannschaft der Geschichte und der FC Barcelona konnte drei der letzten sieben Champions League-Titel gewinnen. Die deutsche Klubbilanz mit gerade einmal sechs Titeln verblasst gegenüber dem spanischen Glanz. Eine Ewigkeit lang galt: Deutschlands Nationalmannschaft und Spaniens Vereine dominierten Europa.

Spaniens Gloria und deutsche Tristesse

Diese Arbeitsteilung kündigte Spanien im Finale der Europameisterschaft 2008 dann gründlich auf. Im ersten wirklich großen Spiel der beiden Länder in der Fußballgeschichte, setzte sich Spanien durch und gewann seinen ersten Titel nach über 44 Jahren. 2010 war im Halbfinale der WM wiederum Deutschland Leidtragender. Zwei weitere Triumphe sollten unmittelbar folgen. Spanien wurde Weltmeister und verteidigte zwei Jahre später auch den Europameistertitel. Die rote Furie ist seither die unangefochtene Referenz im Weltfußball. Ein Blick auf die Fifa-Weltrangliste genügt zur Verdeutlichung. Dagegen darbt der deutsche Fußball nun schon seit Jahren. Der letzte internationale Kluberfolg liegt zwölf, der letzte Titel der Nationalmannschaft bereits 17 Jahre zurück. Letztere hatte bei der EM des vorigen Sommers abermals ihr Potential verschwendet und musste sich wieder hinten anstellen. Auch das brutale Scheitern des FC Bayern im Finale der Champions League liegt noch schwer im Magen.

Neue Hoffnung

Seit dem dritten Spieltag der laufenden Champions League-Saison gibt es aber wieder Hoffnung auf eine Zeitenwende im Klubfußball: „Drei Mannschaften, drei Siege! Zunächst setzte sich Bayern München auswärts gegen Lille durch. Dann legten gestern die Ruhrrivalen gegen Europas Elite nach. Schalke 04 siegte durch einen furiosen Endspurt auswärts bei Arsenal London und Borussia Dortmund besiegte zuhause den 32maligen spanischen Meister Real Madrid. Nicht nur Reals Trainer Mourinho hatte dabei zwei Mannschaften auf Augenhöhe gesehen! Der BVB hatte nur kurz Respekt vor den Welt- und Europameistern der Königlichen, kämpfte sich schnell in die Partie, legte bestechend vor, ließ sich durch die kalte Dusche des Ausgleichs nicht aus der Ruhe bringen und erzielte dann rechtzeitig den verdienten Siegtreffer! Ein gr0ßer Abend!“

Neuer Anlauf

Die aufkeimende Hoffnung war nicht unberechtigt. Zwei der drei deutschen Champions League-Vertreter haben es ins Halbfinale geschafft und so bietet sich die Chance die deutsch-spanische Fußballgeschichte um ein neues aufregendes Kapitel zu bereichern. Bayern – Barca, Dortmund – Real. Es ist schon gewöhnungsbedürftig, bei diesen Partien keine wirkliche Favoritenrolle erkennen zu vermögen. Die Bayern erscheinen bisher die europäische Übermannschaft zu sein; das Treffen mit Messi und Kameraden ist da standesgemäß. Dortmund wiederum hat diese Saison bereits bewiesen, dass man mit Mourinhos Madrilenen umzuspringen weiß. Beide deutschen Mannschaften müssen zuerst zuhause antreten. Generell ist das in der Champions League ein Nachteil (61% der Duelle wurden in der Vergangenheit im Rückspiel durch die Heimmannschaft entschieden), in Halbfinals dagegen dreht sich die historische Wahrscheinlichkeit eigentümlich um. Hier gewannen in drei Vierteln der Austragungen die Teams, welche zunächst in heimischen Gefilden antreten durfte.

Kampf um den Thron?

Wir kommen nicht umhin schmunzelnd die Symbolik des Halbfinals zur Kenntnis zu nehmen. Die führenden Fußballnationen Europas begegnen sich auf Augenhöhe und krönen den neuen Champion. Deutschland attackiert auf Spaniens ureigenem Terrain, dem Klubwettbewerb, nachdem Spanien bei den Europa- und Weltmeisterschaften seinerseits das Gleiche getan hat. Wir wissen nicht wer diese Schlacht für sich entscheiden wird. Es spricht jedoch viel dafür, dass der Ausgang wegweisend sein wird und einen Ausblick erlaubt. Einen Ausblick auf die nächsten Jahre, wenn Deutschland und Spanien um die Vorherrschaft im Fußball kämpfen werden.