Ryder Cup 2012: Epilog
Martin, egal wie, das Team braucht deinen Punkt!
Der Ryder Cup 2012 endete nach der eindrucksvollsten Aufholjagd mit dem höchst unwahrscheinlichen Sieg der europäischen Mannschaft. Eine unglaubliche Geschichte, gerade auch in ihren Anekdoten.
Die wesentliche Grundlage für den Triumph am Sonntag, war der späte Verlauf des vorherigen Tages. Die Europäer hatten sehr schlecht gespielt, konnten dann aber aufgrund der Leistung Poulters die letzten zwei Punkte des Tages erringen. Diesen Geist rettete die Mannschaft in den Abend und nahm sich vor, den nächsten Tag so anzugehen, als läge man nicht zurück. Olazábal der europäischen Kapitän betonte vor den Spielern, wie wichtig es wäre, weiter an den Sieg zu glauben und den Ryder Cup von 1999 als Vorbild zu betrachten, als den Amerikanern ein ähnliches Comeback gelungen war. Er beschwor, wie schon so häufig in der Woche des Cups, den Geist des verstorbenen Kapitäns Seve Ballesteros und gab den Spielern dessen Präsenz mit auf den Weg. An diesem Abend zeigte sich, dass Olazábals Charisma die Mannschaft beflügeln konnte. Auch seine Entscheidungen bestachen, denn Poulter war nur aufgrund einer Wild Card, die Olazábal für ihn gezogen hatte, ein Teil der Mannschaft geworden. Zudem war die Startaufstellung für den großen Tag ein Geniestreich, denn er schickte seine fünf besten Spieler zuerst in die Schlacht, um einen gelungenen Verlauf zu erzwingen.
Zunächst fast die Katastrophe
Der Sonntag begann dann fast mit einer Katastrophe. Der Nordire Rory McIlroy hatte beinahe seine Tee-Time verschlafen. Als er aufgewacht war, sah er im Fernsehen aufgrund der Zeitverschiebung falsche Angaben und dachte daher, dass er noch Zeit habe. Als ihm sein Irrtum durch die PGA of America verdeutlicht wurde, hatte er nur noch wenig Zeit und musste in einem Polizeiwagen unter Blaulicht zum Medinah Country Club gebracht werden, um sofort und ohne sich aufwärmen zu können in seine Partie zu starten. Hätte er es nicht mehr rechtzeitig geschafft, wäre er ausgeschlossen worden und der Ryder Cup wäre unter Berücksichtigung des Endstandes wegen seines fehlenden Punktes an die Amerikaner gegangen. Aufgrund der Hilfe der amerikanischen Funktionäre sowie der Polizei von Illinois, konnte er starten, gleich mit dem nötigen Adrenalin-Pegel in die Partie gehen und diese schließlich für sich entscheiden.
Der Putt seines Lebens
Die Aufholjagd nahm ihren Lauf und als es nach acht Einzeln unentschieden stand, ahnte man langsam, dass es auf Martin Kaymer ankommen könnte. Mit der gleichen Intuition erwartete Olazábal den Deutschen dann am 16. Loch und schwor ihn mit eindringlicher Stimme ein: „Martin, egal wie, wir brauchen deinen Punkt!“ Beiden wird in diesem Moment bewusst geworden sein, dass ihre Karriere in den nächsten Minuten kulminieren würde. Kaymer musste der fantastischen Teamleistung gerecht werden und Olazábal hatte eines nicht vergessen: der Deutsche war eine seiner weiteren Wild-Cards gewesen.
Die nötige geistige Kraft für diese letzten Minuten, hatte er sich am Morgen bei jemandem geholt, der genau diese Situation in der Vergangenheit schon zweimal erlebt hatte. Es war Bernhard Langer, der vor 21 Jahren beim Ryder Cup in Kiawah Island den entscheidenden Putt, der Europa zum Gewinn des Pokal gereicht hätte, vorbei geschoben hatte, dann aber einer ähnlichen Aufgabe 1997 in Valderrama gerecht geworden war und den Sieg gebracht hatte. Langer verdeutlichte Kaymer nochmals die Bedeutung des Ryder Cups und rüttelt ihn nach dessen schwacher Leistung am Freitag auf. Als dann der Putt seines Lebens anstand, war Kaymer bereit: „Ich wusste, dass es der Putt für den Ryder Cup ist und dachte mir: Weißte Martin, auf diese Situation hast du so lange gewartet. Also versuch jetzt, das Beste draus zu machen“. Und es gelang. Kaymer hatte das „Wunder von Medinah“ besiegelt.
Faire Amerikaner
Besondere Achtung verdient die Haltung, welche die Amerikaner in ihrer düstersten Stunde bewahrten. Selbst in den niederschmetternsten Momenten bewahrten sie Respekt, Freundschaft und Contenance. Gerade auch die Geste Woods, der am letzten Loch nach der Entscheidung seinem Gegner den Punkt überließ, zeigt diese Einstellung. Ein Remis hätte den Europäern als Titelverteidiger zwar gereicht, aber so wurde die Partie sogar noch als Sieg gewertet. Eine Entscheidung, übrigens, welche die Buchmacher zu Tobsuchtsanfällen veranlasste, weil sie dadurch um sehr hohe Gewinne gebracht worden waren. Selbst in den Momenten des größten Pechs, blieben die Amerikaner fair. Natürlich ließ die Niederlage sie kopfschüttelnd zurück und es wird lange dauern bis sie diesen letzten Tag verarbeiten. Aber so verlieren, können nur Sieger. Wir werden in zwei Jahren eine wütende und große amerikanische Mannschaft erleben. Es wird schwierig sein zu bestehen.
Das Ergebnis und die Geschichte seines Zustandekommens haben den Ryder Cup 2012 für alle Beteiligten und auch die Zuschauer zu einem einmaligen Erlebnis gemacht. Vielleicht ist es schließlich jener Moment, der am meisten berührt und der einen gewahr werden lässt, dass hier etwas Besonderes passiert ist: Wenn vier Engländer überschwänglich die große Tat eines Deutschen bejubeln, weil sie zusammen gehören! Fulminant!
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