Olympische Spiel 2012 - Tennis

Ein olympischer Nachmittag in Wimbledon

Die Stimmung ist gelöst an diesem sommerlichen Augusttag im Südwesten Londons. Der Stadtteil Wimbledon zeigt sich im milden Sonnenschein von seiner schönsten Seite. Von überall her strömen gut gelaunte Menschen zusammen, die sich auf einen spannenden olympischen Tennistag freuen. Es stehen Halbfinals auf dem Programm.

 

Unweit der Anlage werden die Tennisfreunde von einer großen Zahl freundlicher Ordner begrüßt, deren zuweilen spaßig-flapsige Bemerkungen („Von hier sind es noch zehn Meilen“) die Laune weiter heben. Ausnahmslos jeder Helfer schenkt dem Besucher ein offenes und ehrliches Lächeln. Sie fühlen sich als Teil von etwas Großem und sind froh, selbst wenn sie nur an einer Kreuzung stehen und mit einem übergroßen Plastikfinger den Weg weisen. Einige Ordner haben ihre Informationen in Reime gepackt, andere singen, alle übertragen die lockere, freudige Stimmung, dass wir gemeinsam hier zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind.

 

 

Schnell wird uns zudem klar, dass im olympischen London hinsichtlich der Sicherheit nichts dem Zufall überlassen wird. Je mehr wir uns dem Stadion nähern, um so größer ist die Zahl der Bobbies. Die unmittelbaren Zufahrtswege wurden mit Strassensperren versehen, deren Zweck offensichtlich die Abwehr von Fahrzeugen ist und die von Soldaten der britischen Armee bewacht werden, die unmissverständlich verkörpern, dass hier nichts zugelassen wird. An den Straßenecken stehen Suchende, die mit Schildern auf die Jagd nach Eintrittskarten gehen. Ihre Mienen spiegeln jedoch wieder, dass die Bemühungen nicht von Erfolg gekrönt sein werden. Es fehlt das Angebot.

 

Am Eingang werden unsere Karten kontrolliert und wir werden in die Sicherheitsschleuse gebeten, die in nichts ihren Vorbildern nachsteht, die man von den Flughäfen dieser Welt kennt. Das Abtasten ist vielleicht noch eine Spur strikter. Danach gewähren sie uns Einlass auf die bekannteste Tennisanlage der Welt. Wir werden sofort von Wimbeldons vornehmen Charakter eingenommen und man spürt den Geist, der das berühmteste Grand-Slam-Turnier von allen anderen abhebt. Hizukommt  in diesen Tagen das olympische Flair. Wimbledon-Grün wird durch olympisch-purpur ergänzt. Die alte Regelung, dass 90 Prozent der Spielkleidung weiß sein müssen, ist aufgebrochen. Alle nicht dem olympischen Kanon gemäßen Marken sind abgeklebt, die Shops verkaufen jedoch beide Mythen.

 

 

Kaum sind wir an den Plätzen angekommen und genießen zum ersten Mal den umfassenden Blick auf den Court No. 1, den zweitgrößten Platz auf der Anlage, da stürmen auch schon Helfer auf das Feld und rollen eine Plane aus, um es vor dem aufkommenden Regen zu schützen. Es wird an diesem Nachmittag das einzige Mal bleiben, denn fortan scheint die Sonne. Nach der kurzen, aber Befürchtungen von Abbruch heraufbeschwörenden Unterbrechung, wird die Plane wieder eingerollt. Helfer bauen den Schiedsrichtersitz auf und legen das Netz an. Jeder Handgriff sitzt, der Platz ist schnell bereitet. Dann plötzlich rennen die Balljungen und -Mädchen in Formation auf das Feld und verteilen sich in geordneter Choreographie. Zum ersten mal applaudiert das Publikum, die Vorfreude, durch das kurze Regenzittern nochmals gesteigert, ist auf dem Höhepunkt. Dann laufen die Schieds- und Lininenrichter ein und begeben sich auf ihre Posten, auch ihnen wird großzügig applaudiert. Alles ist nun vorbereitet, es kann losgehen. Und so brandet Jubel auf, als die Spielerinnen des ersten Halbfinal-Doppels dieses Tages den Platz betreten. Die Amerikanerinen Huber/Raymond setzen sich mit den Tschechinen Hlavackova/Hradecka auseinander. Jeder der Livetennis gesehen hat, weiß, dass dieser Sport für die direkte Betrachtung vor Ort geschaffen ist. Die Dynamik des Spiels ist viel höher als von den Fernsehkameras wiedergegeben. Die Unterbrechungen binden den Zuschauer klatschend ein. Ständig, auch während der Pausen ist etwas im Gange. Schon die effizienten Abläufe der Balljungen zu betrachten, macht großen Spaß. Die Tschechinnen werden nicht richtig gefordert und setzen sich glatt in zwei Sätzen durch.

 

 

Die Pausen zwischen den Spielen laden dann ein zum Schlendern, Essen, Trinken und Sonne tanken. Welch ein Luxus, einen ganzen Nachmittag in entspannter Kontemplation verstreichen zu lassen! Fish and Chips mit Bier, asiatische Wok-Spezialitäten, englisches Huhn oder die berühmten Erdbeeren mit Champagner. Alles wird hier geboten. Dann füllt sich die Arena wieder und der Höhepunkt des Tages steht bevor. Die Russinen Sharapova und Kirilenko tragen eines der zwei Damen-Halbfinals aus. Das Stöhnen der ersten geht weniger auf die Nerven als am Schirm. Ihre Leistung ist überzeugend, Spielweise und Auftreten strahlen eine große Eleganz aus. Sie regiert an diesem Nachmittag den Court No. 1 und schlägt ihre Landsfrau ebenfalls glatt mit 6-2 und 6-3.

 

Schließlich beginnt das letzte Spiel. Es ist das Herren-Doppel-Halbfinale zwischen den Spaniern Ferrer/Lopez und den Franzosen Llodra/Tsonga. Zunächst scheinen die Franzosen kurzen Prozess zu machen, doch dann fangen sich die Spanier und das Spiel wird im dritten Satz zum Krimi. Es entwickelt sich ein großes französisch-spanisches Duell, dass gleichermaßen auf dem Platz und in freundschaftlicher Art auch auf den Rängen ausgetragen wird. Kein Team kann das Break setzen und so reiht sich Spiel an Spiel. Die Sonne senkt sich über den Platz, der Abend bricht herein, aber ein Sieg steht in den Sternen. Dann nach einer gefühlten Ewigkeit doch das Break und sofort und irgendwie ahnte man es: Rebreak! Der Kampf geht weiter und erst das 34. Spiel des dritten Satzes bringt den verdienten Sieg der Franzosen, die sich einer unbändigen Freude ergeben und vom Publikum mit stehenden Ovationen bedacht werden.

 

Ein schöner olympischer Tag geht zu Ende, die Zuschauer sind glücklich. Jetzt noch schnell in einem Pub in der Innenstadt das ein oder andere Pint Bier trinken, eine englische Köstlichkeit genießen und zufrieden die Ereignisse reflektieren. Und dann begreift man es: gerade auch für die Zuschauer gilt bei Olympia: „Dabeisein ist alles!“

 

 

Kommentare

5 Kommentare zu “Ein olympischer Nachmittag in Wimbledon
  1. Sportfreund sagt:

    Die Briten sind wirklich gute und faire Gastgeber, das kommt auch im Fernsehen an. Ist aber auch leichter, wenn man so viele Medaillen gewinnt.

  2. Daniela Carius sagt:

    Dies kann ich nur bestätigen. Danke für diese Spiele – London 2012

  3. Gisela sagt:

    Danke für die authentische Schilderung eines olympischen Tages – so was möchte man auch mal lesen – nach all den Berichten hauptsächlich über die sportlichen Events…..
    Freut mich für die Briten – auch wenn mich die Medaillenflut wurmt!!

  4. Benjamin Dietrich sagt:

    Wow, schönste Erinnerung!

  5. Fantomas sagt:

    Kann ich mir vorstellen!

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