Fußball-Nationalmannschaft: Deutschland 1 - 4 Argentinien

„Zehn Prozent, die uns fehlen“

Oliver Kahn ist unleidlich. Er scheint noch abzuwägen, ob er seinen Gefühlen trauen oder zur Tagesordnung übergehen soll. Doch Kahn ist unzufrieden und die scheinbare Zufriedenheit der Spieler in der Niederlage reizt ihn und das überwiegt schließlich. Er wird zornig und merkt, dass er seine Gemütsverfassung artikulieren muss.

 

 

„Ich kann doch als Spieler nicht immer zufrieden sein. Gegen die Italiener blutleer 1:2 verloren, heute gibt es wieder drei Stück.“ Oliver Kahn sieht eine selbstgefällige deutsche Mannschaft und stört sich daran. Die Interviews der Spieler nach der Niederlage lassen zwar das Fass überlaufen, es ist jedoch wahrscheinlich, dass die tiefere Veranlassung von Kahns Tirade Joachim Löws Monolog war, den dieser wenige Tage zuvor auf der DFB-Pressekonferenz aufgeführt hatte. Bei der EM war Deutschland, die im Kern deutlich bessere Mannschaft, taktisch schlecht aufgestellt worden und hatte sich von Italien den Schneid abkaufen lassen. Der Bundestrainer stellte sich nun zum ersten Mal wieder der Presse und viele erwarteten eine selbstkritische Analyse und klare Überlegungen wie bezüglich der Defizite Abhilfe zu schaffen sei. Doch Löw schaltete sofort auf Angriff und ließ sich auf das Niveau des Boulevards herab. Er griff den fehlenden Schneid und die mangelhafte Gesangskunst auf, nicht aber die wirklichen Ursachen der Krise. Seine Argumentation galt nicht den eigenen Mängeln, sondern Oberflächlichkeiten, die zwar öffentlich diskutiert wurden, aber nicht wesentlich und zielführend sind. Der Bundestrainer sollte eigentlich über diesen Dingen stehen und versuchen die grundlegenden sportlichen Aspekte zu analysieren. Das war nicht geschehen.

 

Kahn offenbarte hier eine große Substanzlosigkeit des Trainers: „Es ist ja alles schön und gut mit Spielphilosophie, aber der Gegner hat zu viele Torchancen. Ich denke, der Bundestrainer muss sich grundsätzliche Gedanken machen.“ Jedem fiel sofort auf, dass Löw dies nicht gemacht hatte. Er sprach mehrfach von „drei, vier Dingen“, die es zu verbessern gelte, präzisierte aber mit keinem Wort. Es beschlich den Zuhörer das Gefühl, dass hier vielleicht ein Trainer an seine Grenze stößt. Vier Turniere hat die deutsche Mannschaft es nun bereits nicht geschafft, ihr Versprechen wirklich einzulösen. Es wird gut gespielt, aber wenn es zählt, kann keine Schippe drauf gelegt werden. Joachim Löw lässt dann schnell den Kopf hängen, kaut an den Nägeln und ergibt sich seltsam emotionslos dem Schicksal. Wie würde da ein Klopp handeln!

 

Die letzten Auftritte zeigen, dass die Führung der Nationalmannschaft dünnhäutiger geworden ist. Vielleicht kommt sie mit dem ersten stärkeren Gegenwind ebenso wenig zurecht, wie ihre Spieler in den Krisensituationen der letzten Turniere. Vielleicht befürchtet sie insgeheim, dass sie überfordert ist. Wirklich bewiesen hat Löw seine Qualität bisher nicht. Außer einem zufälligen DFB-Pokal-Sieg mit dem VfB Stuttgart, steht nichts zu Buche. Und eines ist klar, die Mannschaft hat nicht erst seit gestern das Potential zum Triumph. Dieses langfristig nicht abzurufen, wäre eine Blamage. Vielleicht kann Löw es schaffen diesen Makel abzustreifen, wir wünschen es ihm! Allerdings ist es dann zuletzt wieder Kahn und nicht der Bundestrainer, der den Weg weist: „Eine kompakte Defensive ist die Basis, um erfolgreich Fußball zu spielen. Und das gepaart mit Willen und Leidenschaft, das sind die letzten zehn Prozent, die uns fehlen, um wieder ganz an die Spitze zu kommen.“

 

Gegen Argentinien hatte auf dem Platz zum ersten Mal in der Geschichte der deutschen Nationalmannschaft ein Torwart Rot gesehen, abseits des Platzes ebenfalls. Letzteres ist zu begrüßen!

Kommentare

2 Kommentare zu “„Zehn Prozent, die uns fehlen“
  1. Fantomas sagt:

    Klopp wär’s!

  2. […] Nachdem die deutsche Mannschaft den einsatzfreudigen Iren in der ersten halben Stunde den Schneid abgekauft hatte, setzte sie sich zunehmend durch und konnte spätestens nach dem dritten Tor den Gegner dominieren. Besonders Reus agierte stark und es adelt ihn, dass sein erstes Tor aus der Wut resultierte, die entstanden war, als er sich zu Unrecht einer Schwalbe bezichtigt fühlte. Die Vorarbeit für diesen Türöffner hatte der viel gescholtene Schmelzer geleistet, dessen besondere Hervorhebung bei der schlechten Leistung gegen Österreich durch Löw einiges Befremden ausgelöst hatte. In der Folge zeigte sich jedoch, dass hier eine Mannschaft zwar nicht gegen den Trainer, aber doch für den durch ihn geschmähten Akteur spielte. Die Liste an Unsouveränitäten des Bundestrainers wächst. Es stellt sich die Frage, was diese fehlende Lässigkeit hervorruft. […]

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